Out und stolz – Sichtbarkeit für LGBTQI+ Kolleg:innen schaffen
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Marc Hantscher, Executive Vice President bei der BSH und Head of Global OEM, wurde kürzlich von der PROUT AT WORK-Foundation als PROUT Executive nominiert. In einem Interview hat Marc uns erzählt, wie vielfältig die Lebenssituationen von LGBTQI+ Kolleg:innen sind, und über die Auswirkungen, die eine gute Teamführung auf die Förderung von Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Teilhabe haben kann.
Was bedeutet die Nominierung für Dich?
Die Nominierung ist ein starkes Zeichen, für mich als geoutete Person in einer Führungsposition. Als Führungskräfte müssen wir allen um uns herum zeigen, dass es in Ordnung und wichtig ist, sich zu outen, damit es jeder sieht. Wir haben eine Vorbildfunktion. Deshalb ist die Nominierung vor allem da, um anderen zu zeigen: "Es ist in Ordnung, out zu sein – mach mit!"
Warum sind Initiativen wie diese (die Arbeit der Stiftung, die Nominierungen usw.) so wichtig?
Wir müssen das Bewusstsein für das Leben von LGBTQI+ Menschen sensibilisieren, indem wir mehr kommunizieren, Workshops durchführen und Netzwerke schaffen. In unserer Gesellschaft braucht jede und jeder Ankerpunkte, um sich daran festzuhalten, um Ideen, Herausforderungen und Lösungen auszutauschen. PROUT AT WORK spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Stiftung bietet einen Raum, um sich zu vernetzen und das Bewusstsein in den Unternehmen zu fördern, so wie die Initiative Colors of BSH eine ähnliche Plattform innerhalb der BSH bietet.
Möchtest Du die Erfahrungen teilen, die Du in der Arbeit gemacht hast, nachdem Du Dich geoutet hast?
Ich habe überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Ich habe mich vor einigen Jahren bei der BSH geoutet. Die BSH hat meinen Partner und mich bei der Entwicklung unserer Karrierewege sehr unterstützt. Wir haben viel Zeit in Asien verbracht, wo es eher nicht so einfach ist, offen schwul zu leben, so wie wir beide es hier tun können. Die BSH hat uns außerdem geholfen, als Paar zu leben und gleichzeitig unsere Karrieren unter einen Hut zu bringen. Ich lebe mein Leben offen und behandle mein Schwulsein als einen normalen Teil meiner Person. Ich spreche bei der Arbeit über meine Familie, so wie Heterosexuelle über ihre eigene Familie sprechen würden. Ich bin dort, wo ich mich geoutet habe, nie auf großen Widerstand gestoßen, aber das heißt natürlich nicht, dass es keine Probleme mehr gibt. Einige Bedenken werden wahrscheinlich verschwiegen, weil die Menschen in einem persönlichen Gespräch nichts sagen wollen oder weil einige unserer Kolleginnen und Kollegen Ländern leben, in denen es sehr schwierig ist, ein offenes Leben zu führen.
Du arbeitest nun seit über 17 Jahren für die BSH. Welche Veränderungen in Bezug auf Diversität und Inklusion hast Du erlebt? Was waren die wesentlichen Entwicklungen aus Deiner Sicht?
Das ist eine interessante Frage! Als ich bei der BSH angefangen habe, fühlte sich das Unternehmen wie ein traditionelles deutsches Unternehmen an. Alle sprachen Deutsch, der typische leitende Angestellte war weiß, männlich (und heterosexuell?) und über 50, und Vielfalt stand überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Seitdem haben wir eine Geschäftsführung, die zu 50 % aus Frauen besteht, wir haben Mitarbeitende aus der ganzen Welt in der obersten Führungsebene des Unternehmens. Wir nehmen Vielfalt als einen wichtigen Erfolgsfaktor der Zukunft ernst. Natürlich haben wir noch viel mehr zu tun. Aber die Umsetzung der Prinzipien von Diversität und Inklusion ist ein Prozess, den man über einen längeren Zeitraum vorantreiben muss. Alle Beteiligten in allen Regionen der Welt mitzunehmen, das braucht Zeit.
Einer der Werte der BSH ist es, diverse Teams zu schaffen, die Inklusion leben – inwiefern spielen sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität dabei eine Rolle?
Ich selbst leite ein sehr diverses Team bei BSH, mit LGBTQI+ Menschen in einigen Teams, mit einer guten Verteilung der Geschlechter unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Bildungshintergründen und Nationalitäten. Die Arbeit in heterogenen Teams kann sich anfangs schwieriger anfühlen, weil es viele Missverständnisse und (interkulturelle) Konflikte geben kann. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie langfristig zu besseren Ergebnissen führen, indem sie ein viel breiteres Spektrum an Perspektivenhervorbringen und eine offene Kultur fördern.
Was können Teamleitende und Führungskräfte für LGBTQI+ Kolleg:innen tun, um ein sicheres und förderliches Arbeitsumfeld zu schaffen?
Ganz einfach: ein Umfeld schaffen, in dem jede Person ihr wahres Ich in der Arbeit einbringen kann, und zwar in jeder Hinsicht. Ermutigen Sie zu Offenheit, unterstützen Sie Initiativen, die die Vielfalt fördern, und achten Sie auf eine gute Mischung unterschiedlicher Menschen im Team. Seien Sie offen und ermutigen Sie andere, das Gleiche zu tun.
Mitarbeiter:innen-Initiativen können entscheidend sein, um die Arbeit in diversen und inklusiven Teams zu gestalten. Welche Rolle spielen, Deiner Meinung nach, solche Netzwerke für die gesamte Unternehmenskultur?
Netzwerke wie Colors of BSH sind wichtig, um das eigene Bewusstsein zu sensibilisieren und das Selbstbewusstsein zu stärken. Sie machen deutlich, dass es andere gibt, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Netzwerke bieten auch gute Möglichkeiten, Zugang zu Unternehmensbereichen zu bekommen, in die man bei seiner täglichen Arbeit normalerweise keinen Einblick hat, und ermöglichen so ein besseres Verständnis des Gesamtunternehmens. Netzwerke können auch eine stärkere Loyalität fördern, da die Kolleginnen und Kollegen auf eine andere Art und Weise mit der BSH verbunden sind als nur durch ihr unmittelbares Arbeitsumfeld. Last but not least: Sie können ihren Freundeskreis vergrößern, wenn sie Teil eines Netzwerks sind!
Als globales Unternehmen möchten wir immer von anderen Kulturen lernen. Welche Erfahrungen hast Du als queere Person am Arbeitsplatz in verschiedenen Ländern gemacht?
Die Situation von LGBTQI+ Menschen auf der ganzen Welt ist sehr unterschiedlich: In einigen Ländern ist es ganz normal, out zu sein, in anderen sind LGBTQI+ Menschen immer noch massiver Diskriminierung ausgesetzt und müssen ihre sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität geheim halten. Ich habe während meiner beruflichen Laufbahn in China, Indien, Singapur, Frankreich, den USA und anderen Ländern gelebt und dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. In einigen Ländern habe ich es als schwierig empfunden, so out zu sein, wie ich es jetzt bin. Manchmal wusste nicht jeder in meiner Umgebung von mir. Insgesamt habe ich mich an manchen Orten unwohl gefühlt, auch wenn ich mich ein paar Menschen gegenüber dort geoutet habe.
Sicherlich gibt es Menschen in der Unternehmenswelt, die das Gefühl haben, dass es für sie nicht sicher ist, sich zu outen, oder die sich outen wollen, aber viele Zweifel haben – gibt es etwas, das Du ihnen raten möchtest?
Das ist eine sehr schwierige Frage, die individuelle Antworten erfordert, vor allem für Menschen aus Ländern, in denen ein Coming-out immer noch ein Problem oder vielleicht sogar illegal ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich am wohlsten fühle und am wenigsten diskriminiert werde, wenn ich mich völlig offen zeige (und nicht nur selektiv). Wenn man sich jedoch in einem Umfeld befindet, in dem institutionelle Diskriminierung die Norm ist, ist es sehr schwer, out zu sein. Wenn man Gefahr läuft, angegriffen zu werden, verbal diskriminiert zu werden, sich von seiner Familie trennen zu müssen oder sogar bestraft zu werden, stellt sich für LGBTQI+ Menschen eine sehr schwierige und persönliche Frage, wie man damit umgeht.
Gibt es etwas, das Du Menschen mit auf den Weg geben möchtest, die darüber nachdenken, LGBTQI+ Kolleg:innen zu unterstützen und nicht wissen, wo sie anfangen sollen? Irgendwelche Tipps?
Schließt euch uns an! LGBTQI+ Initiativen brauchen Verbündete außerhalb unserer eigenen Netzwerke, um erfolgreich zu sein. Der Besuch einer Veranstaltung oder die Suche nach Kontakten zu Unternehmensinitiativen wie Colors of BSH kann ein Anfang sein. Zu uns kommen Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel sagen: "Ich bin nicht schwul, aber mein Sohn ist es, und ich möchte dabei sein". Umso mehr freue ich mich, dass wir bei der BSH mit Carla Kriwet eine unterstützende Geschäftsführerin haben, die auch für die LGBTQI+ Ally Liste von PROUT AT WORK nominiert wurde.